Vom 07. bis zum 09. Dezember 2011 soll in Wiesbaden die nunmehr zweite „Ständige Konferenz der Innenminister und senatoren der Länder“, kurz Innenministerkonferenz (IMK), dieses Jahres stattfinden. Die Innenministerkonferenz berät über die Ausrichtung deutscher Innenpolitik. Dazu zählen vorallem sicherheitspolitische, bevölkerungspolitische und migrationspolitische Themen. Die IMK muss in ihrer gesellschaftlichen Funktion als Instrument zur Sicherung kapitalistischer Herrschaft erkannt werden. Deshalb ruft ein linkes Bündnis dazu auf, am 03. Dezember gegen die IMK im Besonderen und kapitalistischen Wahnsinn im Allgemeinen auf die Straße zu gehen.
Am Abend des 28.12.1990 wurde der 17-jährige Nihad in Hachenburg von einem gleichaltrigen Naziskin erstochen. Vorausgegangen waren wochenlange Beleidigungen und Bedrohungen durch die Nazis, die gegenüber der Wohnung von Nihads Familie in einem Parkhaus ihren Treffpunkt hatten.
Was folgte waren die üblichen zivilgesellschaftlichen Reflexe: Empörung, Unverständnis, Demonstration, Lichterkette. Regionalpolitiker die mahnend den Finger hoben und schworen das sich so was nicht mehr wiederhole, Diskussionen in der Regionalpresse wie so was „hier bei uns“ passieren konnte. Immer wieder der Verweis auf die „einzelnen geistig Verblendeten“ die für solche Taten verantwortlich seien. Die Familie von Nihad traute diesen Beteuerungen nicht und verließ den Westerwald. Schnell war Nihad aus der Presse verschwunden und die Lichterketten erloschen. Der Täter wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Totschlags verurteilt, allerdings wurden sie nach 2/3 der Haftstrafe wieder aus der Haft entlassen.
Westerwald 1990
Es war die Zeit nach der Wiedervereinigung, nach der gewonnenen Fussball-WM in Italien, die Zeit in der ein neues Patriotismusgefühl reifte, Mensch wieder „Stolz war, Deutscher zu sein“ und auch im provinziellen Westerwald auf keinem Volksfest, keiner Party die obligatorische Naziskinhead-Clique fehlte. Es waren nicht viele, vielleicht 30-40 im Westerwald die Ihre rassistische und antisemitische Gesinnung so offen nach außen trugen, umso mehr hätten sie auffallen müssen und taten es auch, umso verwunderlicher war es auch, dass nach der Tat kaum einer von den Neonazis gewusst haben wollte. So trafen sich doch jedes Wochenende mindestens 20-30 Neonazis in Montabaur (Kreisstadt Westerwald) am Konrad-Adenauer Platz um gemeinsam zu trinken und vorbei laufende Migrant_innen und Andersdenkende zu beschimpfen. So gab es doch schon Wochen vor dem Mord an Nihad faschistische Schmierereien in dem Parkhaus, wo die Nazis sich trafen, Übergriffe in Form von verbalen Anfeindungen und Flaschenwürfe auf die Rollläden der 8-köpfigen kurdischen Familie im dicht bewohnten Gebiet. Hatte wirklich niemand etwas davon mitbekommen? Der Täter, der in Bad Marienberg zur Schule ging und schon früh der neonazistischen Skinheadszene angehörte, Mitglied der „Taunusfront“ war, war kein unbeschriebenes Blatt. Nein, es war keine Überraschung, dass so etwas passieren könnte nur schwieg die Mehrheit der Bürger_innen, verantwortlichen Lehrer_innen als er und seine Clique sich immer mehr radikalisierten. Es passte einfach nicht in die beschauliche Landidylle und
außerdem war in den Kneipen von Bad Marienberg, Hachenburg oder Rennerod nicht selten zu hören das es doch ein „Asylproblem“ gäbe und „die hier nichts zu suchen hätten“
Westerwald Heute:
20 Jahre ist die Tat nun her, in Hachenburg erinnert kaum noch etwas an diese brutale und feige Tat. Doch ist es nicht so, dass die Menschen aufgewacht sind. Ist es nicht so, dass Mensch den Eindruck hat, es habe eine Sensibilisierung für dieses Thema gegeben. Im September noch besuchte Udo Voigt seinen NPD-Kreisverband Westerwald und lobte ihn als „Vorzeigeverband“, die rechte Szene im Westerwald ist nicht kleiner geworden im Gegenteil, 2004/2005 gab es einen erneuten Höhepunkt rechter Umtriebe durch die Kameradschaft Westerwald die brutal gegen Andersdenkende und Migrant_innen vorging, Pogrome gegen ein Flüchtlingswohnheim in Derschen (Daaden) die erst nach massivem Nachfragen durch die Presse ans Tageslicht kamen, Nazikonzerte, Liederabende, Flyeraktionen auf Schulhöfen, all das gehört zum Alltag im Westerwald und auch heute schauen viele weg wenn Rassist_innen und Antisemit_innen hier ihre menschenfeindlichen Parolen verbreiten. Die NPD errang bei der letzten Kreistagswahl sogar ein Mandat im Kreistag. Dabei zeigt sich das Vorgehen der Verantwortlichen hier immer wieder stereotypisch, es wird geleugnet, verschwiegen und erst zugegeben, wenn gar nichts mehr zu retten ist. Auch heute wird im Westerwald und anderswo versucht, das Naziproblem kleinzureden oder am besten ganz zu verschweigen.
Landidylle, Gesellschaft, Nazis- Mord!
Das Erstarken von nationalen Bewegungen und Gedankengut führte in der Bundesrepublik zu einem ansteigen von rassistisch/chauvinistischen Gewalttaten. Wobei diese nicht ausschließlich von Neo-Nazis begangen wurden und werden. Die sogenannte Mitte der Gesellschaft lieferte bzw. liefert immer wieder Steilvorlagen die die Täter_innen bestätigen oder ermutigen ihre Taten durchzuführen bzw. durchgeführt zu haben. In Zeiten in denen ein Thilo Sarrazin großen Zuspruch erhält wenn er vom Juden-Gen oder von genetisch bedingter Intelligenz spricht ist es nicht verwunderlich, dass Gewalttaten gegen Nicht-Weiße verbreitet sind. Das Problem auf die sogenannten „Extremisten“ zu verlagern wird der gesellschaftlichen Realität in der BRD nicht gerecht. Eine Stimmung wurde und wird erzeugt, die die rassistischen Schläger_innen sich selbst als legitime Vollstrecker_innen eines Volksmobs erscheinen lassen bzw. lässt. Wenn der Bundesregierung 1993 nichts anderes als Konsequenz auf die Pogrome in Hoyersverda und Rostock Lichtenhagen einfällt, als das Asylgesetz faktisch abzuschaffen. Wenn in Zeitungsmeldungen immer wieder Ahnenforschung bei Nicht-Weißen Täter_innen betrieben wird, bei Weißen Deutschen jedoch nicht nach dem Geburtsort des Großvaters gefragt wird. Wenn ständig vom Untergang des Abendlandes gesprochen wird, dann ist es nicht verwunderlich, dass über 140 Todesopfer seit 1990 zu betrauern sind, am Sonntag den 24.10.2010 gab es den letzten rassistischen Mord. Ein junger Nicht-Weißer Mann wurde vor dem Hauptbahnhof in Leipzig von 2 Weißen Männern ermordet. Daher wollen wir am 28. Dezember nicht nur Nihad betrauern, sondern auch allen anderen Opfern rassistisch oder antisemitisch motivierter Gewalt.
Das Problem heißt Rassismus!
Wir rufen Euch deshalb auf mit uns gemeinsam am 28.12. im Gedenken an Nihad und all den anderen Opfern rechter Gewalt und gegen Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und Sexismus zu demonstrieren.
Wann: 28.12.2010 18 Uhr
Wo: Hachenburg Bahnhof
Kein Tag für die Nation. Kein Tag für Deutschland.
Aufruf des „…ums Ganze!“-Bündnisses und der Basisgruppe
Antifaschismus zum 20. Tag der Deutschen Einheit am 2./3. Oktober 2010 in Bremen.
Am 3. Oktober wird in Bremen die nationale Würstchenmeile aufgeschlagen. Superdeutschland begießt 20 Jahre Einheit, mit Angela, Christian und Nena. Es gibt zwar kein Freibier, aber wir kommen trotzdem. Wo Volk und Staat ihren Burgfrieden feiern, müssen wir eins klarstellen: Ihr könnt uns mal mit eurem Standort und eurem Gequatsche von „sozialer Marktwirtschaft“. Wir machen keinen Finger krumm, damit Deutschland „gestärkt aus der Krise hervorgeht“. Denn das heißt im Klartext bloß, dass jeder Winkel der Gesellschaft noch straffer durchrationalisiert wird. Härter konkurrieren, länger lohnarbeiten, weniger verdienen und immer unsicherer leben bis ans Ende aller Tage – das ist die deutsche Utopie nach dem „Ende der Geschichte“ von 1989/90.
Kollaboration mit der Nation
Die Einheitsfeier ändert nichts an der alltäglichen Ohnmacht in den Mühlen von Staat und Kapital. Die Identifikation mit dem nationalen ‚Wir‘ ist ein ideologischer Fluchtreflex vor dem Druck kapitalistischer Konkurrenz und Vereinzelung, aber zugleich ihr bestes Schmiermittel. Egal ob Deutschland „schwarz-rot-geil“ oder kulturbeflissen feiert, abgerechnet wird werktags, wenn die großen Gefühle verrauscht sind, und der Standort seine Ansprüche diktiert. Ansprüche, die vom vermeintlichen Souverän, dem Volk, klaglos akzeptiert werden.
Der deutsche Nationalfeiertag entspricht dieser Haltung haargenau. Der 3. Oktober ist ein bürokratischer Stichtag, an dem die DDR 1990 „dem Geltungsbereich des Grundgesetzes“ beitrat. Sonst passierte nichts. Es wurde keine Stasi-Zentrale gestürmt, keine Mauer überrannt oder sonst irgendwas. Gefeiert wird keine spontane Eruption gegen die Zumutungen gesellschaftlicher Herrschaft, kein revolutionärer Anschlag auf zwanghafte Verhältnisse, die zuvor unüberwindlich schienen. Gefeiert wird das Versprechen des deutschen Staates, seine BürgerInnen vor den Stürmen des kapitalistischen Weltmarkts zu schützen, die Deutschland und die Deutschen als ExportweltmeisterInnen ständig selbst mit entfachen. Nicht zufällig wird in schöner Regelmäßigkeit vorgeschlagen, den ereignis- und arbeitslosen Nationalfeiertag ersatzlos zu streichen, zugunsten des Bruttosozialprodukts.
Verselbständigte Herrschaft
Nach 20 Jahren ‚Berliner Republik‘ ist klar, dass „Einigkeit und Recht und Freiheit“ in ihrer gegenwärtigen, bürgerlichen Form keineswegs „des Glückes Unterpfand“ sind. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter, Reallöhne sinken, Bildung und Gesundheit hängen mehr und mehr vom Geldbeutel ab, Kinder- und Altersarmut werden zum Massenphänomen, und wo die disziplinierende Gewalt der kapitalistischen „Marktwirtschaft“ nicht mehr greift, setzt der Sozialstaat immer öfter direkte Zwangsmittel ein. Die gegenwärtige Krise verschärft nur eine Entwicklung, die sich seit Jahrzehnten zuspitzt. Kern des Problems ist nicht falsche Politik, sondern viel grundsätzlicher die Existenz von Staat und Kapital und die darin bestehenden und glorifizierten Freiheiten des bürgerlichen Individuums. Die herrschende Freiheit ist zuerst und vor allem die Freiheit zur Konkurrenz, zum endlosen Wettstreit um den privaten Anteil am gesellschaftlichen Reichtum. Wer es sich leisten kann, lässt andere für sich arbeiten, während Lohnabhängige und Erwerbslose sich noch gegenseitig den kargen Rest streitig machen müssen. Aufs Ganze betrachtet, hat sich dieses System gesellschaftlicher Abhängigkeit und Ausbeutung gegen alle verselbständigt.
Kapitalistische Utopie
Zum 20. Jahrestag wird viel von Freiheitsliebe die Rede sein, die die Deutschen 1989/90 zur „Wiederherstellung ihrer nationalen Einheit“ geführt habe. Der Massenwiderstand gegen das autoritäre SED-Regime, der Wunsch vieler nach besseren Lebensbedingungen und dem Ende einer unerträglichen Behördenwillkür, wird als Ausdruck eines ungebrochenen nationalen Einheitswillens verklärt. Dieser Mythos löscht die Erinnerung an ganz andere Sehnsüchte im ‚kurzen Frühling der Demokratie‘, zwischen Mauerfall und Selbstauslieferung der DDR an die Staatsapparate der BRD. Die verbreitete Hoffnung auf einen wirklich demokratischen Sozialismus mag im Rückblick naiv erscheinen, als spinnerhafter Utopismus einiger randständiger Ostintellektueller. Dies aber nur, weil die überlegene Marktmacht des westlichen, vor allem westdeutschen Kapitals jeden alternativen Entwicklungsweg in kürzester Zeit verstellt hat. Die DDR wurde in Windeseile privatisiert, deindustrialisiert, und damit abhängig von Beihilfen und Investitionen aus Westdeutschland. Die rasante Konjunktur des ostdeutschen D-Mark-Nationalismus im Sommer 1990 reagierte auf eine volkswirtschaftliche Verwüstung, die es im Kapitalismus gratis gibt.
Inzwischen ist klar, dass die kapitalistische Utopie der „blühenden Landschaften“ unausweichlich mit Kahlschlag und Krisen verbunden ist. Die Almosen der „sozialen Marktwirtschaft“ schützen dieses System gesellschaftlicher Herrschaft vor seiner eigenen Destruktivität. Doch die ruinösen Folgen des ständig verschärften Wettbewerbs der Individuen, Unternehmen und Standorte zeigen sich längst nicht mehr nur im globalen Süden, in den ökonomisch ausgezehrten Landstrichen der kapitalistischen Peripherie. Der Globalisierungsschub der vergangenen 20 Jahre, seit dem Zusammenbruch des staatssozialistischen Blocks, hat Armut und Verzweiflung in die kapitalistischen Zentren zurückgebracht. Daran stößt sich der oberflächliche ‚Antikapitalismus‘ vieler Deutscher, den in Wahrheit nur eine vermeintlich schlechte Verwaltung kapitalistischer Systemzwänge stört und der immer noch die Hoffnung auf eine „soziale Marktwirtschaft“ hegt. In dieser Situation verbindet sich diese illusionäre Hoffnung auf einen deutschen „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“ mit der Ideologie einer nationalen Leistungsgemeinschaft.
Feiertag und Alltag
Der eventabhängige Partynationalismus der Deutschen sollte nicht über ihren Gemütszustand im Alltag täuschen. Dort regiert nicht ‚Schwarz-Rot-Geil‘, sondern eher ein ‚hoffentlich bleiben wir verschont‘, gepaart mit der aggressiven Angst, das ‚uns‘ etwas weggenommen oder vorenthalten wird. Was beide Stimmungslagen verbindet, ist die Selbstverständlichkeit des nationalen ‚Wir‘. Als Massenbewusstsein ist nationale Identität ein blutjunges Phänomen, in den meisten Fällen keine 150 Jahre alt. Seine Rückverlängerung zur sinnstiftenden „Nationalgeschichte“ richtet sich immer nach gegenwärtigen Konflikten und Sehnsüchten bürgerlich-kapitalistischer Vergesellschaftung. Bebildert und eingeübt wird diese identitäre Haltung nicht zuletzt im Schulunterricht und im nationalen Fernsehen.
Der ideologische Mechanismus dieses nationalen Gefühls offenbart sich in aller Reinheit dort, wo alle ganz authentisch scheinen, auf der Fanmeile. Jungdeutsche in weißen Trikots und Schwarz-Rot-Gold erleben dort ganz offenkundig die ergreifendsten Stunden ihres Lebens. Wildfremde Menschen liegen sich in den Armen, jubeln wie aus einem Mund, und weinen ohne Scham gemeinsam. Dieser Ausdruck nationaler Identität ist spontan, niemand verstellt sich, niemand wurde manipuliert. Was den Fußballdeutschen die Herzen öffnet, ist ihre Sehnsucht nach einer schützenden, solidarischen Gemeinschaft, in der die Nächsten nicht immer zugleich KonkurrentInnen und NeiderInnen sind. Deshalb liegt der Genuss überschwänglicher Kollektivität abseits staatspolitischer und nationalökonomischer Verbindlichkeit, eben auf der Fanmeile und im Stadion. Doch alleine die Identifikation mit der souveränen Macht des Staates und seinen Symbolen verspricht, die wiederkehrende Erfahrung individueller Ohnmacht zu überwinden, von der im Kapitalismus niemand verschont bleibt. Jeder öffentliche Ausdruck nationaler Identität markiert einen Anspruch auf nationale Fürsorge und nationales Privileg. Genau deshalb bleiben die Grenzen des nationalen Innenraums umkämpft, und werden von seiner Stammbelegschaft argwöhnisch überwacht. Der aktuelle Fahnennationalismus von Neubürgern mit Migrationshintergrund ist keine belanglose Multikultifolklore, sondern der Kampf um Anerkennung als Teil eines im Zweifelsfall privilegierten Kollektivs. Dem gegenüber kann der Lena-Mittelstandsnationalismus so ironisch auftreten, weil er in seiner Hannoveraner Durchschnittlichkeit ohne jeden Zweifel „dazugehört“.
Die Selbststilisierung als „aufgeklärte“ und „post-ideologische“ Nation funktioniert freilich nur, indem die Brutalität gesellschaftlicher Ausgrenzungsprozesse abgespalten und ihren ersten Opfern unterstellt wird. Homophobie, Sexismus und ganz allgemein „Intoleranz“ werden bevorzugt MigrantInnen unterstellt, und insbesondere als Charakteristikum „des Islam“ ethnifiziert. Auf diese Weise können sich ChauvinistInnen bis weit ins linke Lager als Kreuzritter einer Freiheit inszenieren, die ihre Politik seit Jahrzehnten verraten hat.
Deutscher Krisennationalismus
Grundsätzliche Zweifel am nationalen Ticket finden sich kaum. Die BürgerInnen fügen sich stolz den Ansprüchen des Standorts als unausweichlichem Schicksal. Ihre Zustimmung ist getragen von der utopischen Hoffnung, dass es ihnen selbst gut oder zumindest nicht schlechter gehen wird, wenn das nationale Kapital floriert. Eine Hoffnung, die den Exportweltmeistern mehr als allen anderen einleuchtet, und ihnen auch von ihren Gewerkschaften jahrzehntelang eingeleuchtet wurde. Nicht trotz, sondern wegen der Krise herrscht nationaler Burgfrieden, während in vielen anderen europäischen Ländern Streiks und Massenproteste an der Tagesordnung sind. Diese klassenübergreifende staatsbürgerliche Komplizenschaft gründet wesentlich in der gerade in Krisenzeiten spürbaren Überlegenheit des deutschen Kapitals und des deutschen Staates in der globalen Konkurrenz. Dank volkswirtschaftlicher Reserven und einer vorläufig unbeschadeten Kreditwürdigkeit erscheinen beide als Fels in der Brandung einer aus den Fugen geratenen Weltwirtschaft. Der deutsche Staat kann noch immer riesige Konjunkturpakete und Stützmaßnahmen finanzieren, mit denen die Krise bislang tatsächlich national abgefedert wurde. Die Staatspleiten an der europäischen Peripherie verschaffen den Deutschen einen zusätzlichen ideellen Krisengewinn. Sie scheinen zu belegen, dass die Verzichtsrunden der letzten 20 Jahre sinnvoll waren und fortgesetzt werden müssen. Insgesamt herrscht eine Art nationaler Leidensstolz, der gegenüber schwächeren Ländern schnell in Sadismus umschlagen kann:
„Pleitegriechen“ und Konsorten werden noch härtere Einschnitte an den Hals gewünscht, als man selbst seit Jahren akzeptiert hat. Die Deutschen zahlen mehrheitlich offenbar klaglos, so lange dieser ideologische Nektar fließt. Verzicht für den Standort wird zum ethischen Leitbild. Wer sich ihm nicht fügt, bekommt spätrömische Dekadenz vorgeworfen, den Heizkostenzuschuss gestrichen und gegen die Winterkälte einen zweiten Pullover anempfohlen. Die Einheit der Nation als Leistungsgemeinschaft in der Weltmarktkonkurrenz stützt sich auf das imaginäre Feindbild des „Sozialschmarotzers“, der die Knute des Sozialstaats und die Verachtung des Kollektivs zu spüren bekommen solle. Diszipliniert werden so auch die, die noch nicht abgestiegen sind. Nationaler Leidensstolz paart sich mit der realen Gefährdung des Individuums in der aktuellen Form des Kapitalismus zur Bereitschaft, jede neue Verzichtsrunde zu akzeptieren.
Unter der Herrschaft von Staat und Kapital haben die Menschen unermessliche Reichtümer erschaffen, doch genießen können sie sie nicht. Die falsche Freiheit der bürgerlichen Gesellschaft garantiert nur endlosen Druck für die Masse und vergoldete Scheiße für wenige. Die Identifikation mit der Nation bestätigt diese verhexte Welt, anstatt sie vernünftig neu zu ordnen. Der vermeintliche Realismus der deutschen Standortameisen, ihre Nationalreligion aus Leistung und Verzicht, ist in Wahrheit nur eine Utopie der Verzweiflung. Besser wird es erst, wenn wir dieser Gesellschaft den Stecker ziehen. Gegen den Tag der deutschen Einheit am 3.10.2010 in Bremen, und gegen jeden anderen deutschen Tag! Staat, Nation, Kapital – alles Scheiße!
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Für den 4. September 2010 mobilisieren die Dortmunder Neonazis erneut europaweit zum so genannten „Nationalen Antikriegstag”. Die seit 2005 jährlich stattfindende Demonstration ist für die extreme Rechte ein günstiger Anlass, um unter dem Deckmantel des „Pazifismus“ ihren Rassismus, Antisemitismus und Antiamerikanismus zu propagieren. Vom Geschichtsrevisionismus gar nicht zu sprechen: Die Neonazis leugnen bis heute konsequent die historische Tatsache, dass mit dem Angriffskrieg der deutschen Nationalsozialist_innen gegen Polen der Zweite Weltkrieg begann.
Der Gedenktag am 1. September erinnert eigentlich an den Überfall Deutschlands auf Polen. Mit diesem Angriff wurde der 1. September 1939 zum Beginn des deutschen Vernichtungskrieges. Der „Antikriegstag“ ging dann aus einer Gewerkschaftsinitiative 1957 hervor, die gerade mit Blick auf die Wiederbewaffnung Deutschlands unter dem Motto „Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus!“ zu Aktionen aufrief.
Das „Event“ der „Autonomen Nationalisten“
Einige Zeit lang schien es, als würde sich dieser Neonazi-Aufmarsch unter Federführung der Dortmunder „Autonomen Nationalisten” zu einem wichtigen Tag im Kalender der aktionsorientierten extremen Rechten entwickeln, da bei dem Aufbau dieses Ereignisses besonders auf den „Event-Charakter” Wert gelegt wurde. Während zum ersten Aufmarsch 2005 circa 200 Neonazis erschienen, wuchs die Zahl bis 2008 auf 1100 an. Das Gewaltpotential bei Aufmärschen der Dortmunder Neonazis hat in dieser Zeit massiv zugenommen; 2009 etwa überfielen circa 400 Neonazis aus einer Spontandemonstration heraus die 1. Mai- Demonstration des DGB.
Diese Erfolgsgeschichte erfuhr im letzten Jahr einen empfindlichen Einschnitt. Denn 2009 ist es gelungen, den Mythos des „Nationalen Antikriegstags“, den die Dortmunder Neonazis in jahrelanger europaweiter Mobilisierungsarbeit versucht hatten aufzubauen, erfolgreich zu beschädigen. In der Stadt kam Einiges in Bewegung, und letztlich gestaltete es sich für die Polizei durch die zahlreichen Gegenaktivitäten zu schwierig, den Schutz für die Nazidemonstration zu gewährleisten. Der „Nationale Antikriegstag“ blieb somit weit hinter den Erwartungen der Nazis zurück, die mit ansehen mussten, wie ihre „Erfolgsstory” in einer Kundgebung buchstäblich stehen blieb. Doch das letztjährige Debakel hindert die Dortmunder Autonomen Nationalist_innen nicht daran, weiterhin an der Etablierung eines „Nationalen Antikriegstages” festzuhalten. Für dieses Jahr haben die Dortmunder Neonazis an drei Tagen rund um das erste Septemberwochenende (3.,4.,5. September) Aktionen und Veranstaltungen angemeldet und die europaweite Mobilisierung ist in vollem Gange.
Dortmund – ein “Labor”?
Weiterhin gibt es in Dortmund eine aktive und gefährliche Naziszene.
Dortmund ist mittlerweile eine Hochburg der sogenannten „Autonomen Nationalisten” in Deutschland geworden. Durch den permanenten Zuzug von Neonazi-Kadern aus anderen Regionen ist hier so etwas wie ein „Labor” für diejenigen Neonazis entstanden, die versuchen einen neuen aktivistischen und militanten Stil in der Neonaziszene zu etablieren. Die sogenannten „Autonomen Nationalisten” haben sich Kleidungsstil und Aktionsformen der linksradikalen Autonomen angeeignet und dabei völkisch und nationalsozialistisch umgewandelt.
In den vergangenen Monaten ließ die Dortmunder Naziszene ihren Frust über das eigene Versagen in 2009 vor allem an den Nazigegner_innen, derer sie habhaft werden konnten, aus. Besonders hart traf es eine Familie im Stadtteil Dorstfeld, die von dort ansässigen Nazis derartig terrorisiert wurde, dass sie sich schließlich gezwungen sah, aus dem Stadtteil fortzuziehen.
Der Neonazismus und die Stadt
Für einen handfesten Skandal sorgte der ehemalige Chef der Feuerwehr Dortmund, heutiger Leiter eines stadteigenen Institutes für Feuerwehrtechnik und langjähriges Mitglied der SPD: Klaus Schäfer. Nachdem er Ende April als Teilnehmer einer Neonazikundgebung in Erscheinung trat, konnten Antifaschist_innen in Erfahrung bringen, dass Schäfer bereits seit einiger Zeit aktives Mitglied der Dortmunder Naziszene ist und beispielsweise auch an der Kundgebung am 5. September 2009 teilnahm. Auch wenn Schäfer umgehend suspendiert wurde, zeigt sich hier deutlich, dass Neonazismus in Dortmund längst nicht nur ein Jugendphänomen ist.
In der Dortmunder Öffentlichkeit hat sich seit letztem Jahr Einiges bewegt. Den Naziaufmarsch haben viele Akteur_innen gegen Rechts als Aktionsfeld genutzt. Am 5. September fand eine Vielzahl von Veranstaltungen statt, die dazu beitrugen, dass der Handlungsspielraum der Nazis stark eingeschränkt wurde. Zu einem aktiven Vorgehen gegen den Aufmarsch der Nazis konnten sich viele dieser Akteur_innen jedoch nicht durchringen; es wurde auch dann noch an Veranstaltungen festgehalten als längst klar war, dass die Nazis sich weitab von diesen im Hafen treffen würden.
Weiterhin problematisch ist zweifellos die Herangehensweise der offiziellen Stellen. Während Stadt und Polizei mit jahrelanger Verspätung aufgefallen ist, dass Dortmund ein Naziproblem hat, gefallen sich die verantwortlichen Amtsträger_innen in ihrer neuen Rolle als „Kämpfer_innen gegen Rechts”. So glaubt der Sonderbeauftragte der Stadt für „Vielfalt, Toleranz und Demokratie“, Hartmut Anders-Hoepgen inbrünstig: “Dortmund ist eher eine Hochburg des Widerstands gegen Rechts.” Substantielles Engagement gegen Neonazis ist von diesen Leuten jedoch nach wie vor nicht zu erwarten. Eine Menge Geld hat die Stadt Dortmund zuletzt in die Erstellung einer Studie über die Dortmunder Naziszene gesteckt. Das Resultat war mehr als dürftig: Über die Verfasstheit der Neonaziszene liefert die Studie keine Erkenntnisse; die Arbeit von Antifa-Gruppen wird völlig ausgeblendet.
Auf zu neuen Taten!
Gerade die Arbeit linker Antifa-Gruppen hat dazu beigetragen, dass die Dortmunder Naziszene deutlich weniger frei agiert als noch vor zwei Jahren.
Mit regelmäßigen Aktionen wie dem Gedenken an Thomas Schulz und den Protesten am Antikriegstag ist es gelungen, das Naziproblem zum Thema zu machen. Doch auch abseits solcher Events findet eine kontinuierliche Arbeit statt. Zuletzt gründeten Dortmunder Antifa-Gruppen das “Dortmunder Antifa Bündnis”, um diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen.
Für den September gilt es nicht nur an all dies anzuknüpfen, sondern auch mit gemeinsamer Anstrengung einen weiteren Schritt dahin zu gehen, dass ein Nazi-Event wie der “Nationale Antikriegstag” in Dortmund keine Zukunft hat. Das S4-Bündnis ruft dazu auf, am ersten Septemberwochenende nach Dortmund zu kommen und gegen den Naziaufmarsch auf die Straße zu gehen!
*Auf zu neuen Taten! – Dem Naziaufmarsch am 4. September in Dortmund entgegentreten.
weiter Infos unter :
http://s4.blogsport.de/
Show an undead system how to die – Kapitalismus abschaffen!
Heraus zum antikapitalistischen Block auf der bundesweiten Krisendemo am 12.Juni um 12 Uhr am U-BHF Alexanderplatz in Berlin!
Die Dramatik der wirtschaftlichen Lage ist schwer zu übersehen: Einige süd- und nordwesteuropäischen Staaten stehen kurz vor der Staatspleite und ein 750 Milliarden Euro schwerer Notkredit soll den Euro retten. Die zunehmende Staatsverschuldung wird sich in einem noch schwer zu realisierenden Maße auf breite Teile der Bevölkerung auswirken und auch in Deutschland stehen massive soziale Verschlechterungen auf der Tagesordnung. Sozialleistungen und Lohnausgaben werden zurückgefahren, Lebensrisiken weiter privatisiert, die staatliche Arbeitsverwaltung weiter verschärft. Immer mehr Menschen müssen beschissene Arbeitsverhältnisse und Leiharbeit akzeptieren, mit noch mehr Stress und noch weniger Sicherheit. Immer mehr müssen ihre Niedriglöhne durch Arbeitslosengeld II aufstocken. Noch viel mehr fallen ganz aus dem Verwertungsprozess heraus und werden vom Amt oder in Beschäftigungsprogrammen schikaniert.
Vor Schulen und Unis macht der verschärfte Konkurrenzzwang nicht halt. Im Ausleseverfahren des gegliederten Schulsystems, durch Turbo-Abitur und Bachelor-Master-System werden die Selektion und Verwertbarkeit des Humankapitals optimiert. Was GewinnerInnen und VerliererInnen der kapitalistischen Produktion unter anderem zusammenhält, ist ihre gemeinsame Abhängigkeit vom Erfolg des Standorts in der Weltmarktkonkurrenz. Die vermeintliche Ohnmacht gegenüber den eigenen gesellschaftlichen Verhältnissen verschweißt das nationale Kollektiv ideologisch zur Schicksalsgemeinschaft.
Die Hetze gegen Griechenland ist auch ideologischer Ausdruck der nationalen Konkurrenz. Die Krise heißt Kapitalismus! Der langjährige „Exportweltmeister“ Deutschland hat Staaten wie Spanien, Portugal oder Griechenland in Grund und Boden konkurriert – und wirft ihnen nun die desaströsen Folgen dieses Verdrängungswettbewerbs vor. Mit den Erpressungskrediten von EU und IWF wird Griechenland auf Jahre in ein Rationalisierungsdiktat gezwungen. Breite Bevölkerungsschichten von SchülerInnen und Studierendenüber Erwerbslose und Lohnabhängige bis hin zu RentnerInnen müssen drastische soziale Einschnitte hinnehmen. Die Betroffenen haben diese Angriffe mit entschlossenem Widerstand beantwortet – vom Generalstreik bis hin zur militanten Straßenaktion.
Im Kapitalismus ist eines sicher: seine Krisen. Die zwanghafte Konkurrenz der Firmen und Standorte produziert seit mehr als einem Jahrhundert eine Krise nach der anderen. Jedes Geschäft – ob Gemüse, Autos, Waffen oder Aktienderivate – wird für ein künftigen Gewinn angeworfen. Wer im Kampf um Märkte und Investitionen überleben will, muss unkalkulierbare Risiken eingehen, und jede Profitchance rücksichtslos ausnutzen.
Von Anfang an zum Scheitern verurteilt war die Hoffnung, dass sich diese sogenannte Gesellschaftsordnung bändigen ließe, sei es durch die Marktkräfte oder den Staat. Die aktuelle Systemkrise beweist das Gegenteil: Die kapitalistische Verwertung macht jeden Steuerungsversuch zunichte. Jede krisenbedingte Rationalisierung verschärft nur die Konkurrenz, und damit die Gefahr neuer Krisen. Die „Rettungspakete“ für Konzerne und Banken stützen nur das kapitalistische Krisenkarussell.
Der kapitalistische Verwertungszwang ist ein andauernder Anschlag auf ein gutes Leben. Im Hamsterrad der Konkurrenz geht es nicht um individuelles Glück und gesellschaftliche Bedürfnisse, sondern um privaten Profit und nationalen Vorteil. Diesen mörderischen Unsinn wollen wir nicht. Deshalb kommt alle zum antikapitalistischen Block. Lasst uns unsere radikale Kritik in die Gesellschaft tragen. Wir kriegen nur wofür wir kämpfen. Für die soziale Revolution!
Sa, 12.06. – 12 Uhr – Alexanderplatz – Berlin-Mitte
weiter Infos unter:
http://undeadsystem.blogsport.de